Ein Kriminalroman könnte nicht spannender sein. Die Story ist folgende: Ein argentinischer Staatsanwalt soll einen Terroranschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum aufklären. Es war im Jahr 1994 verübt worden. In einem Lieferwagen war eine Bombe versteckt, die das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires völlig zerstörte. Es kamen 85 Menschen ums Leben.
Der Staatsanwalt ermittelt über mehrere Jahre und angeblich hat er herausgefunden, dass die Täter von der Regierung seines Landes gedeckt werden. Die Regierung soll verschleiert haben, dass der Iran an dem Anschlag beteiligt war. Warum diese Verdunkelung? Weil sie an Wirtschaftskontakten mit dem Iran interessiert ist. Der Staatsanwalt will die Sache ans Licht der Öffentlichkeit bringen und vor dem Kongress aussagen. Doch am Abend vor der Anhörung ist der Jurist tot. Seine Mutter findet ihn mit einem Kopfschuss leblos am Boden liegend. Neben ihm liegen eine Pistole und eine Patronenhülse.
Aber diese Geschichte ist nicht erfunden, sondern gegenwärtige Realität in Argentinien. Die Frage lautet: War es Selbstmord oder eine gezielt Tötung. Die Argentinier diskutieren den Tod von Staatsanwalt Alberto Nisman sehr kontrovers. Aber nicht nur die Argentinier haben Gesprächsstoff. Auch in Israel ist der Tod des Staatsanwalts Thema ersten Ranges. So titelte die israelische Nachrichtenseite Times of Israel: „Wer sorgt dafür, dass Alberto Nisman Gerechtigkeit widerfährt?“ Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums erklärte, dass der Staat Israel seine tiefe Trauer über den Tod des Staatsanwalts ausdrücke. Man hoffe, dass die Behörde in Argentinien Nismans Arbeit fortführen würden, um die Drahtzieher des Terroranschlags von ö1994 zur Rechenschaft zu zeihen.
Der Inhalt dieser Botschaft aus Israel ist klar. Sie ist eine Mahnung, den Hintergrund des Anschlags aufzuklären.
Auch Argentiniens Präsidentin Christina Kirchner tauchte in der Ermittlungsarbeit des Getöteten auf. Nisman warf Kirchner und ihrem Vorgänger Carlos Menem vor, seine Ermittlungen zu behindern.
Die Präsidentin selbst bedauerte den Tod des Staatsanwalts und wies die Anschuldigungen von sich. Sie erklärte, ihre Regierung habe die Ermittlungen zu dem Anschlag vorangetrieben.
Das hinderte jedoch Tausende Menschen in Argentinien nicht, für Nisman in den Straßen zu protestieren. Sie machen die Regierung verantwortlich. Viele Demonstranten zogen vor den Präsidentenpalast in Buenos Aires und zeigten Plakate mit der Aufschrift: „Ermordet wegen Ermittlungen. Es reicht, Christina!“
Die Ermittlungen wurden von Staatsanwältin Viviana Fein übernommen. Sie will nicht ausschließen, dass Drohungen und Belästigungen Nisman in den Tod getrieben haben könnten. Aus den Medien konnte noch folgendes entnommen werden: Ein Abschiedsbrief wurde nicht gefunden. Zudem gehörte die Waffe, die neben ihm gelegen hatte, nicht ihm. Ebenfalls fanden sich keine Schmauchspuren an den Fingern des toten Staatsanwalts.
Ergänzung vom 22. Januar 2015: Inhalt der Anklageschrift veröffentlicht
Argentiniens Präsidentin Christina Fernández de Kirchner soll gemeinsam mit ihrem Außenminister Héctor Timerman versucht haben, die Strafverfolgung mutmaßlicher iranischer Attentäter eines Terroranschlags vor 21 Jahren, am 18. Juli 1994, auf das jüdische Gemeindehaus Amia zu vereiteln. Das ist der wesentliche Inhalt der Anklageschrift des auf mysteriöse Weise ums Leben gekommenen Sonderermittlers Alberto Nisman, die jetzt vollständig veröffentlicht wurde. Beide Politiker seien Teil eines „kriminellen Plans“ gewesen.
Die Argentinische Präsidentin gerät hierdurch mehr und mehr unter Druck. Der nun tote Staatsanwalt hatte die Einzelheiten der Anklage gegen die Präsidentin am Montag im Parlament erörtern wollen.