Maria Eugenia Sampallo Barragan hat ein schweres Schicksal hinter sich gebracht. Sie wurde von ihren Eltern Mirta Mabel Barragan und Leonardo Ruben Sampallo getrennt und hat sie nie kennengelernt. Ihre Eltern kämpften gegen die Militärdiktatur. Die Junta und ihre Anhänger raubten ihnen ihre Tochter und ließen die Eltern spurlos verschwinden. Sie gehörten zu den tausenden Linken und Dissidenten, die in den Jahren der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 von Sicherheitskräften verschleppt wurden und auf nimmer Wiedersehen verschwanden.
Marias Adoptiveltern waren regimetreu. Sie hielten die Geschichte geheim. Jetzt aber wurden sie verurteilt. Eine Gefängnisstrafe wartet auf sie.
Ein argentinisches Gericht hat die Adoptiveltern von Maria Eugenia Sampallo Barragan zu Gefängnisstrafen bis zu acht Jahren verurteilt. Das Gericht befand den Adoptivvater Osvaldo Rivas und die Adioptivmutter Maria Cristina Gomez Pinto schuldig, die Identität des Kindes verdunkelt zu haben.
Das Verfahren gegen ihre Adoptiveltern hatte Maria Eugenia Sampallo Barragan selbst in Gang gebracht. Sie ist heute 30 Jahre alt.
Die Militärdiktatur ist seit 25 Jahren vorüber. Jetzt urteilt ein argentinisches Gericht zum ersten Mal über den Fall eines „gestohlenen Babys“. Maria Eugenia Sampallo Barragan ist eine von etwa 500, denn ungefähr 500 Babys wurden während der Militärdiktatur in Argentinien ihren Müttern gestohlen. Viele der argentinischen Frauen, die dem Widerstand angehörten, kamen schwanger in die Junta-Gefängnisse und bekamen ihre Kinder hinter den Gefängnismauern. Ihre Kinder wurden für immer von ihnen getrennt. Regimetreue Familien bekamen die Kinder und adoptierten sie. Von den leiblichen Eltern sah und hörte man nie mehr etwas.
Im Jahr 2001 lies Barragan einen DNA-Test durchführen und erhielt den Beweis, dass ihre vermeintlichen Eltern nicht mit ihr verwandt waren, ja, dass sie sogar ihre Feinde waren.
Maria Eugenia Sampallo Barragan erklärte hierzu:
„… man kann sich fragen, ob eine Person, die ein Baby geraubt hat, (…) die es fortwährend über seine Herkunft belogen, die es täglich misshandelt, erniedrigt, getäuscht hat, ob eine Person, die das alles getan hat, Liebe zu einem Kind kennt und fühlen kann.“
Mitangeklagt ist der ehemalige Offizier Enrique José Berthier, der die kleine Maria als als Baby im Jahr 1978 den Eltern wegnahm. Dieser wurde zu einer Haftstrafe von 10 Jahren verurteilt.
Maria Eugenia Sampallo Barragan hat die Fotos der Angeklagten und Verurteilten sowie die ihrer wahren Eltern dem argentinischen Volk und der Welt öffentlich. Sie wollte den den Verbrechen ein Gesicht verleihen.
Insgesamt wurden während der argentinischen Militärdiktatur 5000 bis 30.000 Menschen gefoltert, vergewaltigt und ermordet oder sie verschwanden spurlos.
Der Anwalt Tomas Ojea Quintana hatte eine Höchststrafe von 25 Jahren Gefängnis für die Adoptiveltern beantragt. Sieben Jahre dauerte die Prozessvorbereitung. In dieser Zeit war Maria auf der Suche nach ihrer verlorenen Identität und der Vergangenheit ihrer Eltern. Sie lernte ehemalige Mitkämpfer ihrer Eltern kennen. Ein heute in Schweden lebender Bekannter verriet ihr, mit welchen Kosenamen ihre Eltern sie – das „dünne Kindchen“ – einst riefen. Bewegt habe Barragan ein Notizbuch nach dem anderen gefüllt, um nichts zu vergessen, erzählt Quintana. Schon der Prozess allein sei ein Erfolg, noch viel mehr aber das Urteil.
Menschenrechtsgruppen zufolge wurden mehr als 200 Kinder an Angehörige des Militärs oder an dem Regime nahe stehende Familien gegeben. 88 von ihnen haben in der Zwischenzeit ihre wahre Identität mit Hilfe von DNA-Tests geklärt.
Die Großmütter der Plaza de Mayo und die Mütter der Plaza de Mayo sind Frauen, deren Kinder oder Enkel als verschwunden gelten und die diese Verschwundenen suchen. Mit ihrer Unterstützung fand Maria Eugenia Sampallo Barragan einen Teil ihrer Identität wieder: ihre 80-jährige Großmutter Azucena Martin de Barragan.